VON EVA-MARIA REUTHER
Mit der Frage, wie menschliche Wahrnehmung funktioniert, beschäftigen sich Künstler, Geistes- und Naturwissenschaftler seit Jahrtausenden. Für den Philosophen Walter Benjamin war Wahrnehmung gleichermaßen bestimmt von natürlichen Bedingungen wie historischer Erfahrung. Unbestritten dürfte zudem sein, dass Wahrnehmung in hohem Maß abhängig ist von der Persönlichkeit des Betrachters und seiner Perspektive. Man sieht nun mal - im Sinne einer verstehenden Wahrnehmung - nur, was man weiß (frei nach Goethe). In der Trierer Galerie Junge Kunst demonstriert derzeit die Düsseldorfer Künstlerin Simone Letto, wie sich unser Blick auf die Welt organisiert. Ihre Gemälde von Stadt-und Naturlandschaften zeigen zunächst als pauschalen Überblick gleichsam aus der Ferne, Strukturen von Formen, wie etwa das Raster eines Baugerüsts. Von dort geht die Malerin differenzierend ins Detail und macht in der multiplen Form, im Regelwerk der Rechtecke Vielfalt und individuelles Leben sichtbar. In den Arbeiten ihrer Serie "Jalousie" verdeutlicht die 1965 geborene Künstlerin zudem, wie die veränderte Struktur sprich die Öffnung oder Schließung der Lamellen neue Perspektiven nach innen wie außen ermöglicht.
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Auch wenn Lettos Bilder Geist, Auge und Sinne auf eine Linie bringen, so verlassen sie doch nie die Ebene des Sinnbildes. Der Realismus ihrer Gemälde mit seinen Zitaten aus der Lebenswirklichkeit, seinen Menschen, Gebäuden und Landschaften bleibt geradezu unwirklich entrückt. Die Flächigkeit und Sachlichkeit der Darstellung unterstreicht den Parabel-Charakter der Bilder. Man ist geneigt, Lettos sehenswerte Gemälde als Bild einer Weltsicht zu lesen, die zunächst das große Ganze in den Blick nimmt, bevor sie ins Detail geht. Eine Haltung, die absolut aktuell ist und fraglos vom permanenten globalen Informations-Output des digitalen Zeitalters noch verstärkt wird. Wie weit der Blick aus der Fülle pauschaler Informationen ins Einzelne geht, bleibt nicht zuletzt dem Willen des Betrachters überlassen und vielfach auch seiner menschlichen und sozialen Kompetenz. In diesem Sinn kann man Lettos Gemälde auch als eine ohne erhobenen Zeigefinger daherkommende Aufforderung verstehen, genau und differenziert hinzuschauen.
Zu sehen sind die Bilder in der Galerie Junge Kunst in der Trierer Karl Marx-Straße 90 bis zum 19. Oktober samstags und sonntags, 14 bis 17 Uhr und nach telefonischer Vereinbarung, Telefon: 0651/97638, www.junge-kunst-trier.de
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