Licht schafft eigene Wirklichkeiten

Trier. Die Trierer Galerie Junge Kunst präsentiert zu ihrem 30-jährigen Bestehen die Ausstellung "Luminanz" . Darin reflektiert die aus Halle kommende Künstlerin Andrea Flemming, wie die Helligkeit von Bildpunkten und Farbwerten unsere Wahrnehmung bestimmt. Von Eva-Maria Reuther

Wer sich hierzulande umschaut, könnte bisweilen den Eindruck haben, die aktuelle Kunstszene der neuen Bundesländer bestehe einzig aus Nachfolgern der Realisten der DDR. Dabei existiert im deutschen Osten bereits seit Jahren auch außerhalb der Hauptstadt Berlin eine rege junge Kunstszene mit einer zeitgenössischen Bildsprache. Der Trierer Kunstverein Junge Kunst pflegt seit langem einen regen Austausch mit solchen Kunstorten, darunter Dresden, Weimar, Leipzig oder Halle.

Von dort kommt auch Andrea Flemming, der die aktuelle Ausstellung "Luminanz" zum 30-jährigen Bestehen des Kunstvereins gewidmet ist. "Für mich gehört moderne Kunst zur Stadt", erklärte zur Ausstellungseröffnung Kulturstaatssekretär Salvatore Barbaro, der die Schirmherrschaft für die Jubiläumsausstellung übernommen hat. Der Politiker würdigte den jahrzehntelangen ehrenamtlichen Einsatz des Kunstvereins für die zeitgenössische Kunst: "30 Jahre sind eine eindrucksvolle Leistung". Das Thema der Jubiläumsschau könnte nicht besser gewählt sein. "Luminanz" ist ein Begriff aus Videotechnik und Fotografie, der die Helligkeit von Bildpunkten und Farbwerten bezeichnet. Die strahlen zum Geburtstag dank der von der Kulturstiftung Rheinland-Pfalz gestifteten neuen Beleuchtungsanlage der Galerie jetzt in professionellem Licht.
Die Luminanz-Werkgruppe der in Sangerhausen (Sachsen-Anhalt) geborenen Künstlerin, die in Halle und Basel studierte, meint allerdings mehr als optimale Ausleuchtung. In ihrer Rauminstallation aus fotokünstlerischen Arbeiten und Objekten setzt sich die 1976 geborene Künstlerin, die inzwischen wieder in Halle arbeitet, mit der uralten Frage nach den Mechanismen der Wahrnehmung auseinander, nach dem Zusammenhang von Sehen und Vorstellung, von Wirklichkeit und Illusion. Schon vor rund zweieinhalbtausend Jahren vermutete der griechische Philosoph Demokrit, dass beim Sehen Bilder im Raum entstünden. Bis die physiologischen und physikalischen Mechanismen von Lichteinfall und Sehen geklärt waren, dauerte es allerdings noch bis weit in die Neuzeit.

Bis heute bleibt noch weithin ungeklärt, wie genau das Gehirn aus dem Vorgang Sehen sein Kopfkino macht. Anhand von Kronleuchtern tritt Flemming in der Trierer Karl-Marx-Straße den fotografischen Beweis an, wie bei unterschiedlicher Belichtung, ebensolchen Bildgründen und Raumverhältnissen ganz unterschiedliche Bilder entstehen. Ihre jeweilige Ästhetik erzeugt ganz eigene Erscheinungsbilder und Assoziationen im Kopf des Betrachters.
"Kronleuchter mit ihrer Ausstrahlung haben mich schon immer fasziniert", berichtet die Künstlerin. In ihren Fotoarbeiten entrückt sie die traditionsreichen Leuchtkörper in eine unwirkliche Ferne, bis von ihrer realen Form und Existenz nichts weiter bleibt als Lichtsignale. "Sein oder nicht sein", das ist die Frage, die sich dem Betrachter angesichts der abstrakten Bilder hinsichtlich der abgelichteten Leuchter stellt. Das gilt auch für jene Kugel mitten im Raum, die den Kristallkugeln nachempfunden ist, die an vielen klassischen Kronleuchtern facettenreich das Licht reflektieren. Auf ihrer spiegelnden Oberfläche schafft Flemmings kugeliges Raumobjekt einen ganzen neuen Raum mit einer neuen Realität. Zum abstrakten Kunstwerk, das völlig losgelöst ist von allen realen Verhältnissen und bei dem nur Farbe und ihr Lichtwert zählen, wird die Kugel als flächiges Wandobjekt wahrgenommen. Mit ihrer Rauminstallation hat Flemming einen gelungenen stillen ­enkraum geschaffen, der existentielle Fragen aufwirft wie: Was sehen wir, und was ist davon Wirklichkeit?

 
Quelle: Trierischer Volksfreund, 08.03.2018, Nachrichten, Kultur | www.volksfreund.de

Link: Andrea Flemming, Luminanz, 24. 2. bis 24. 3. 2018

 

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Letzte Aktualisierung: 10.09.2018 14:44:07 © 2018 Kunstverein Trier Junge Kunst e.V.