Ein Oval ist ein Oval ist kein Oval

Barbara Hindahl demonstriert mit ihrer Installation in der Trierer Tuchfabrik die Kunst des veränderten Blickwinkels

Es hängt alles vom richtigen Standort ab. Diese bekannte Einsicht bestätigt Barbara Hindahl zum Jubiläum des Vereins Junge Kunst mit einem besonderen Projekt. Es trägt den Namen Anamorphose und ist noch bis Anfang April in der Tuchfabrik zu sehen.

"Es kommt auf den Blickwinkel an", weiß der Volksmund. Und meint damit zu Recht, dass man je nach Standort völlig neue Einsichten in Dinge und Situationen bekommt. Mehr noch: Oft entscheidet im Trier.alltäglichen Leben wie in der Theorie der Blickwinkel darüber, ob man bei der Betrachtung von Dingen und Ereignissen die richtigen Schlüsse zieht und die Botschaft versteht.

Was jedermann als Alltagserfahrung geläufig ist heißt in der Begrifflichkeit der Kunsttheorie Anamorphose. Sie ist sozusagen die verinnerlichte Form der Metamorphose. Wo die Metamorphose die Form nach außen sichtbar verwandelt, da vollzieht sich bei der Anamorphose der Wandlungsprozess im Innern von Zeichen und Form. Sie werden zum Bilderrätsel, dessen verschlüsselte Botschaft nur versteht, wer genau den richtigen Standort und die richtige Haltung dazu einnimmt.

Der Begriff Anamorphose stammt aus dem 17. Jahrhundert, angewandt wurde sie allerdings schön viel früher. Bereits der griechische Philosoph Platon beschäftigte sich mit der Erscheinung solcher "Trugbilder". Berühmt ist Leonardos verzerrte Skizze, bei deren richtiger Betrachtung ein Kinderkopf erscheint. In einem gewissen Sinn enthält jede perspektivische Zeichnung oder Malerei eine Anamorphose.

Auch Barbara Hindahl beschäftigt sich in ihrer Jubiläums-Installation zum 30. Geburtstag des Trierer Kunstvereins Junge Kunst mit dem Phänomen. Dazu hat die Künstlerin, die in Mannheim lebt und dort an der Freien Kunstakademie lehrt, im zweiten Obergeschoss der Tufa ein gelbes Oval auf dem Boden installiert, in das sie, gleichermaßen als Gestaltungsmittel wie als Zeichen von Bewegung und Zeit, Fahrräder integriert hat.

Geschickt nutzt Hindahl dabei die räumlichen Gegebenheiten. Ihr Oval verengt sich im Eingang des so genannten Kathedral Einbaus, um sich weitend, auf der anderen Seite, wie
durch ein Tor wieder daraus hervorzutreten und sich im hinteren Raum zu schließen. Um die geschwungenen gelben Linien als Oval zu erkennen, muss der Betrachter eine bestimmte Position einnehmen.

Das Fahrrad als Kunstgegenstand: Barbara Hindahl vor ihrer Oval-Installation in der Tuchfabrik. | TV-FOTO: EVA-MARIA REUTHER
Das Fahrrad als Kunstgegenstand: Barbara Hindahl vor ihrer Oval-Installation in der Tuchfabrik.
TV-FOTO: EVA-MARIA REUTHER


Das anamorphotische Werk ist Blickzentrum der raumfüllenden Installation, die den Saal in eine große Bühne verwandelt. Weitere Fahrräder stehen dort als Teile einer Choreographie, die aus den verdrehten Rädern raumgreifende gestenreiche Akteure macht, deren Schatten neue Formen schaffen. Es ist die Gesamtsicht des Raums, der graphisch reizvolle Schattenwurf der Räder, die das Werk interessant und ästhetisch eindrucksvoll erscheinen lassen.

Das gelbe Oval hingegen geht kaum über mehr als ein solides Anschauungsbeispiel einer Anamorphose hinaus. Wirklich spannende neue Einsichten ermöglicht es nicht, auch seine Botschaften halten sich in Grenzen. Als Bilderrätsel ist die ovale Anamorphose mäßig anregend, weil als Nuss leicht zu knacken. er

Bis 5. April, Di, Mi, Fr 14-17 Uhr, Sa, So, Feiertage 11-17 Uhr, Telefon: 0651/718-2412, www.tufa-trier.de

 
Quelle: Trierischer Volksfreund vom 24. März 2015, Kultur

Link: Barbara Hindahl, Raumzeichnung, 7. 3. bis 5. 4. 2015

 

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Letzte Aktualisierung: 29.03.2015 18:58:38 © 2015 Kunstverein Trier Junge Kunst e.V.