8. Juni bis 14. Juli 2024
Eröffnung: Freitag, 7. Juni, 20:30 Uhr
Kuration / Gespräch mit dem Künstler: Markus Bydolek
In der hiesigen Kulturszene ist Kunsu Shim kein Unbekannter — aber nicht als Bildender Künstler, sondern vor allem als Komponist. Beim alljährlichen Internationalen Festival für Aktuelle Klangkunst OPENING in Trier werden regelmäßig auch Kompositionen von ihm aufgeführt.
Seine ebenfalls häufig dort zu sehenden Performances belegen, dass Shim die traditionellen Grenzen der Musik schon seit langem überschritten hat. Gemeinsam mit seinem Lebenspartner Gerhard Stäbler, ebenfalls Komponist, hat er eine PerformanceMusik entwickelt, die nach "Durchdringung von Musik, Visualität und Aktion" strebt und "die Grenzen zwischen Zuschauen/Zuhören und Agieren durchlässig macht". In Duisburg leiten die beiden seit vielen Jahren den EarPort als "Ort experimenteller Begegnung zwischen den Künsten".
Zunehmend macht Kunsu Shim auch bildkünstlerisch auf sich aufmerksam. Im EarPort zeigt er seit Jahren mit eigenen Ausstellungen, dass er "inzwischen auch als Installations- und Fotokünstler ein authentisches und originelles Werk entwickelt" hat (Christoph Brockhaus, ehem. Direktor Lehmbruck-Museum, 2022). Erst in jüngerer Zeit allerdings tritt er als Bildender Künstler auch überregional an die Öffentlichkeit.
In Südkorea geboren, studierte Kunsu Shim dort Komposition, setzte sein Studium aber später in Deutschland fort und lebt seitdem hier. Heute sind es regelmäßige längere Arbeitsaufenthalte in vielen Ländern als Komponist, Lehrer und Performancekünstler, die seinen Einblick in die verschiedensten Kulturen unserer Welt immer weiter vertiefen. Dem entspricht die Vielfalt seiner künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten, und er kann somit als Grenzgänger im besten Sinne gelten.
In seiner Ausstellung "andere räume, andere stimmen" im Kunstverein Trier Junge Kunst weist sich Shim in unterschiedlichen Werkgruppen als feinsinniger Fotokünstler und Zeichner aus.
Ein großes work in progress bildet die wandfüllende Zusammenstellung "andere räume, andere stimmen" aus ca. 500 Fotografien, die unterschiedlichste Alltagsmomente festhalten. Diese klassischen Schnappschüsse, flüchtig, unmittelbar und zufällig, sind jeweils mit einem kurzen Text versehen, einem knappen assoziativen Gedanken, und bilden so gleichsam Fragmente eines Tagebuchs: "Denn alles, was in unsere Augen, unsere Sinne eindringt, ist Teil meines In-der-Welt-Seins", sagt Shim.
Im Kontrast dazu stehen Shims still-schwebende und geheimnisvoll anmutende Einzelarbeiten jeweils für sich, auch dann, wenn sie Gruppen bilden. Zarte Strukturen und Abstufungen verleihen seinen Arbeiten ein sensibles Eigenleben. Selbst farblich kraftvoll ausfallende Bildkompositionen wirken nicht grell oder laut.
"Ein kleines Foto mit einem Spiegel auf meinem Schreibtisch, in dem ein etwas verschwommenes Gesicht eines Mannes zu sehen ist, schweigt die meiste Zeit; doch gelegentlich höre ich seine Stimme. Der Spiegel spricht. Der dünne Glanz in einer Ecke des Spiegelrahmens ist der Mund, der sich öffnet. Oder die ungleichmäßig verstreuten Staubpartikel, die sich im Gesicht des Mannes wie eine Spur des Alterns ausbreitet, sind die Silben eines Wortes … Schlagartig sprechen zahlreiche Stimmen gleichzeitig." (Kunsu Shim)
Ob es sich um kurze Bemerkungen oder ganze Essays handelt, Shims ausgesprochen poetische eigene Texte zeigen, dass Sprache ihm nicht nur der Erläuterung dient, sondern seine ästhetischen Ausdrucksmöglichkeiten um eine weitere Dimension bereichert.
LEISE, FREI
Angesichts seines Facettenreichtums erscheint Shims künstlerische Existenz gleichsam als Modell einer ästhetischen Durchdringung von Welt. Der Künstler Shim lässt sich nicht unabhängig vom Komponisten Shim sehen, die Frage nach Zusammenhängen und Wechselbeziehungen zwischen seinen Bild- und Klangwerken liegt auf der Hand, und es ist kaum möglich, seine Musik im Rahmen dieser Ausstellung nicht zu thematisieren.
Kunsu Shims Tonsprache ist radikal und avanciert. Seine Musik neueren Datums ist frei von Zugeständnissen an Hörgewohnheiten, an alles Schematische und Erwartbare, an Sehnsüchte nach Tonalität. Sie ist reduziert auf singuläre Klänge, die mit der Stille, also der Abwesenheit von Klang, komplex verwoben sind.
Gerade diese Stille ist es, die von seiner Konsequenz und Radikalität zeugt, denn sie widerspricht der zwanghaften Betriebsamkeit nicht nur unserer Kulturindustrie, sondern unseres Denkens und Lebens schlechthin - seine Stille zeigt Shim als unabhängigen und widerständigen Geist, und der Titel einer umfassenden Publikation über ihn lautet zu Recht "leise, frei".
EIN ORT, WO?
So wünschenswert eine Einheit von Ausstellungseröffnung und Konzert wäre, so unmöglich ist sie, würde sie doch weder seiner Kunst noch seiner Musik gerecht — insbesondere Shims Musik verlangt Konzentration in stiller Umgebung, frei von Ablenkung.
Daher freuen wir uns über eine besonders fruchtbare Kooperation: Anlässlich dieser Ausstellung veranstaltet die Gesellschaft für Aktuelle Klangkunst, Trier, das Konzert EIN ORT, WO? mit Jiyoun Song (Klavier/Tastenspieler), Jieun Jun (Klavier/Saitenspieler), Kunsu Shim und Gerhard Stäbler (Performance). Unter anderem wird eine Uraufführung von Kunsu Shim zu hören sein.
Das Konzert findet statt am Samstag, 8. Juni, also am Abend nach der Eröffnung, in der Aula des Campus Gestaltung am Paulusplatz / Hochschule Trier.
Das genaue Programm ist hier zu erfahren.
KURZBIOGRAPHIE
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1958 in Busan, Südkorea |
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1979-83 Kompositionsstudium an der Yonsei Universität Seoul (u.a. bei Inyong La). Mehrere Preise für Komposition während des Studiums |
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1987-89 Studium bei Helmut Lachenmann, Staatliche Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart |
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1989-92 Studium bei Nicolaus A. Huber, Folkwang Hochschule Essen |
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Kompositionspreis des WDR, mehrere Auszeichnungen u.a. von der Akadamie der Künste Berlin und der Japan Foundation. Gastdozent an der Yonsei University, Korea; der Musikhochschule Bergen, Norwegen; der Columbia University, New York; der North-Western University, Chicago und der Chicago University, USA; am Conservatorium Amsterdam, Niederlande; der Nationalen Universität für Künste und Musik, Uruguay; BAU-University Istanbul, Türkei etc. |
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2000-2010 Gemeinsam mit Gerhard Stäbler Leitung des EarPort im Duisburger Innenhafen als Ort für Neue Musik und Begegnung zwischen den Künsten |
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2015 Wiedereröffnung des EarPort als Ort experimenteller Begegnung zwischen den Künsten |
AUSFÜHRLICHE BIOGRAPHIE, BIBLIOGRAPHIE UND DISCOGRAPHIE: Kunsu Shim
Galerie Junge Kunst
Karl-Marx-Straße 90, 54290 Trier
+49 (0)651 / 976 38 40
Samstag und Sonntag 14-17 Uhr
sowie nach telefonischer Vereinbarung
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