Arbeitsgruppe Rheinland-Pfälzischer Künstler
19 Sehweisen
 
 
"19 Sehweisen": Einblicke und Einsichten

 
Ausstellung
Arbeitsgruppe Rheinland-Pfälzischer Künstler (ark e.v.)
präsentiert in der Tuchfabrik Trier Bandbreite ihres Schaffens

Von Barbara Kemmer, Kunsthistorikerin

Auf Einladung des Kunstverein Trier Junge Kunst zeigen seit dem 5. Juni 2016 gleich 19 KünstlerInnen der Koblenzer Arbeitsgruppe Rheinland-Pfälzischer Künstler in der Tuchfabrik Trier eine spannende Auswahl aus dem eigenen künstlerischen Werk. 19 Sehweisen, so der Titel der umfangreichen und sensibel gehängten Gruppenschau, macht augenfällig, wie vielfältig und reich das Kunstschaffen in Rheinland-Pfalz doch ist. Man muss ihm nur die Möglichkeit geben, sich adäquat zu präsentieren. Dies nun haben die Macher der Trierer Ausstellung - namentlich Aloys Rump, Jan Schröder, Klaus Maßem und Werner Müller - in Angriff genommen und die Aufgabe fabelhaft gemeistert.

Gezeigt werden Kunstwerke ganz unterschiedlicher Gattungen und Techniken, wobei die Ausstellung bewusst auf ein übergeordnetes Thema verzichtet. Die Objektauswahl lag thematisch wie konzeptionell in der Hand der Kreativen selbst, was naturgemäß ein sehr werkbezogenes Ausstellen möglich macht. Bereits auf den ersten Blick fällt auf, dass sich dem traditionellen Darstellungssujet der Landschaft viele der vertretenen KünsterInnen verpflichtet fühlen. Dabei findet die Auseinandersetzung mit dem Thema aus den unterschiedlichsten Perspektiven statt.

So tritt die Natur als Sinnbild des Lebens und der Vergänglichkeit in den Gemälden von Christiane Schauder in Erscheinung: Gestaltet in reduzierter Farbpalette mit feinem Pinselstrich werden flüchtige Momente "eingefangen", in denen Gräser, Halme und Astwerk in flirrender, wie "vom Winde verwehter" Bewegtheit anmuten. Werner Müller hingegen zeigt dreidimensionale Wandobjekte, die überzeugen durch ihre Kühnheit und ihre ästhetische Einzigartigkeit. Hergestellt wurden diese aus mit Leim gehärtetem Tuch und Zellstoff in je eigener Kolorierung. Vor der Härtung wurden unterschiedlich große Äpfel in das jeweilige Material eingedreht, die nach einer gewissen Zeit wieder entfernt wurden: "Natur" wurde quasi als Grundelement in den Gestaltungsprozess einbezogen, gleichzeitig aber verfremdet und auf eine andere Sinnebene gehoben. Firouzeh Görgen-Ossouli hingegen widmet sich dem "Malen von Landschaft" mittels der Technik der Fotografie: In drei großformatigen Arbeiten zeigt sie Momente der Naturbeobachtung in gekonnter Verzerrung. Die Reduktion auf den Dreiklang von weißen, schwarzen und rotbraunen Tönen in feiner Abstufung unterstreicht die stimmungsvolle Wirkung der verwischt-abstrakten Formen. Bei Jan Schröders Bildern vom Meer liegt der Fokus auf dramatischen, windgepeitschten Wasserlandschaften, die von Gefahren, Unheil, Naturgewalt und Einsamkeit künden. Der Mensch sieht sich in der Betrachtung der gewaltigen Wassermassen Schröders mit seinem Subjektstatus und mit den eigenen Urängsten konfrontiert.

Mit einer bildhauerischen Arbeit mit dem Titel Senkrechte präsentiert sich hingegen dessen Bruder Christof Schröder: Eindeutiger Lesbarkeit entzieht sich diese vor "Kraft strotzende" und aufwärts strebende Arbeit. Das Emporstreben scheint indes nicht leicht, zeigt sich der abstrakte "Korpus" doch geknickt, gebeugt und mit Irritationen konfrontiert. Ein Messen ungeahnter Kräfte, dessen Ausgang offen scheint. Von einer - zwar weniger kämpferisch anmutenden - inneren Spannung sind auch die kleinformatigen Arbeiten von Eva Enders geprägt. Es handelt sich dabei um 12 rechteckige und 9 runde, einzeln gerahmte Objekte einer Studiensammlung, die in zwei Gruppen Aufhängung fanden. Durch die Verbindung klarer, linearer Elemente und informeller Strukturen, die im Zusammenspiel mit harmonisch aufeinander abgestimmten Farben sowie der haptisch sehr reizvollen Textur eine ungeheure Ausdruckskraft entwickeln, erzielt Enders eine von Reichtum und Bewegtheit charakterisierte Bildwirkung.

Auch Franziskus Wendels lotet in seinen Gemälden Gegensätze aus: In den in Trier zu sehenden Werken setzt er sich mit dem kontrastierenden Moment in der Betrachtung von Tag und Nacht auseinander und auch mit damit zusammenhängenden Gegensätzen in Zustand und Gefühl - hell und dunkel, laut und still, sichtbar und verborgen. Seine scheinbar aus sich selbst heraus leuchtenden Nachtszenen lassen das Diffuse, Geheimnisvolle, Mystische der Nacht in einer Welt voller Kunstlicht vor Augen treten und die Stille der Nacht als Erinnerungs- und Sehnsuchtsort spürbar werden. Die beiden Arbeiten von Aloys Rump aus der Werkserie Noctis Labyrinthus sprechen gleichsam mit ruhiger Stimme zu uns und öffnen einen Erfahrungsraum, der von stiller Einkehr, Reflexion und Sensibilität geprägt ist. Die ungewöhnliche Raumerfahrung, unnachahmliche Lichtwirkung und atmosphärische Kraft erzielt Rump durch den ausgeklügelten Einsatz spezifischer Materialien - in diesen beiden Fällen von schwarzem Oxid und Staub aus weißem Marmor auf Leinen.

Mit der kritischen Reflexion von im kollektiven Gedächtnis verankerter Bildwelten und teils als wahr gedachter "Realität(en)" beschäftigt sich hingegen die Fotografin Isa Steinhäuser. Sie deutet die Aussage von bereits Bekanntem um, indem sie scheinbar Gegensätzliches miteinander verbindet und übereinander lagert. In der spezifischen "Schichtung" der Einzelbilder werden Kausalzusammenhänge offenkund, die zuvor vielleicht in Teilen erahnt, aber nicht zwangsläufig zusammengedacht wurden. Geduldig und nachdenklich widmet sich Lillie Khan in 9 fragwürdige Berührungen der Frage nach Zeit, Raum, Auflösung und Halt. Ihre raumgreifende Arbeit aus beschichteten MDF-Platten, in welche mittels schneller und präziser CNC-Technik per Hand geschaffene und später digitalisierte Zeichnungen gefräst wurden, breitet in loser Folge einen Teppich von Bildszenen aus, die um das Thema der zwischenmenschlichen Beziehung kreisen. Die zugrundeliegenden Tuschezeichnungen, in Punkttechnik in jahrelanger Feinarbeit entstanden, stellen ineinander verschlungene, schwebende Körper dar, die sich in einem Zustand der Krise befinden. Das Eskalierende, das sich darin in Trennung, Zäsur und Bruch äußert, wird sinnhaft betont durch gerissenes, in kleine Einheiten zersplittertes VSG-Glas, das um die einzelnen Bildpaare über die gesamte Fläche verteilt ist.

Noch lange sind nicht alle Künstler genannt, nicht alle Kunstwerke besprochen. Es wären derer schlicht und ergreifend zu viele. Es bleibt die Erkenntnis, dass den Kuratoren eine vielschichtige, spannende, abwechslungsreiche und ästhetisch durchdachte Präsentation gelungen ist. Es liegt in der Natur der Sache, dass dem Besucher nur ein partieller Einblick in das jeweilige künstlerische Schaffen geboten werden kann, aber ein solcher kann ja mitunter sehr einschneidend sein. Nutzen Sie daher die Chance und betrachten sie selbst die 19 Sehweisen, die noch bis zum 26. Juni 2016 in der TUFA Trier zu erkunden ist.

Da dies bestimmt Lust auf mehr hochkarätige Kunst in Rheinland-Pfalz macht: Im Gegenzug zu den 19 Sehweisen werden schon im kommenden Herbst (21.11.-22.12.2016) etwa 12 Künstler des Trierer Kunstvereins "Junge Kunst" im etablierten Koblenzer Künstlerhaus Metternich zeigen. Folgerichtig wird die Ausstellung der Trierer den Titel Retour tragen. Man darf sehr gespannt sein, was dieses "Rückspiel" sodann an Überraschungen, Entdeckungen, Einblicken und Einsichten bereithalten wird.
 
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Letzte Aktualisierung: 09.06.2016 18:30:52 © 2016 Kunstverein Trier Junge Kunst e.V.