franz E hermann
bordermine
 
Wir sehen zumeist neue erstmals ausgestellte Arbeiten des Karlsruher Künstlers franz E hermann - zusammengestellt unter dem Titel bordermine.
Ein Titel, der mit der Ähnlichkeit zu dem Begriff borderline spielt. So steigt die Konzeption der Ausstellung direkt mit einer Neongrenze ein. Das "Neondelta" wirkt im ersten Moment wie eine Ausgrenzung. Schillernd und leuchtend prallen wir an ihr ab. Doch in der Weite schlängelt sich ein Fluss in die Tiefe. Ein Hinweis auf die Grenzgänge die uns immer wieder begleiten - als Gesellschaft, sowie auch als Individuum. Das Wandeln auf dem Grad ist immer gegenwärtig, als würden wir durch ein Mienenfeld laufen.
Die Arbeiten wirken auf den ersten Blick sehr fotografisch. Doch bei genauerem Betrachten findet man hier und da eine Spur oder gar einen ganzen Überzug mit Farbe. Ursprünglich kommt der Künstler von der Malerei, doch nutz er das Mittel nur noch partiell. Die Malerei geht eher eine Verbindung mit der Fototechnik ein. Franz E Hermann ist aber auch kein Fotograf. Die Technik an sich bekommt keine besondere Bedeutung bei der Fertigung der Werke. Interessant ist eher das Spannungsfeld zwischen Ihnen. So passt hier ein Zitat von Man Ray: "Was ich nicht malen kann, fotografiere ich und was ich nicht fotografieren kann - meine Träume und Vorstellungen, male ich." Vielmehr nutz der Künstler das was gerade gut genug ist um die erwünschte Wirkung zu erzielen. Es geht dabei nicht um die ideale Aufnahme oder Detailtreue. Der Eindruck ist das Entscheidende. So hat man an manchen Stellen vielleicht den Eindruck vor alten analogen Mehrfachbelichtungen zu stehen. Sie kennen das vielleicht noch, wenn man mal vergessen hat das Rädchen weiterzudrehen und plötzlich zwei Momente miteinander verschmolzen hat. Die eingefangenen Objekte werden jedoch mittels der modernen Dunkelkammer am Computer umgearbeitet und überlagert bis sie eine neue Identitäten erlangt haben. Die synthetisierten Collagen werden dann oft akzentuiert mit Acrylübermalungen. So spielt er mit verschwimmenden Formen, sich verlierenden Unschärfen und verpixelten Motiven. Letzteres ist eine Variante die die Digitalisierung der Fotografie erst möglich gemacht hat. Manche Aufnahmen sind sogar einfache Schnappschüsse mit der Handykamera.

Wie der Künstler seine Motive findet kann man verbildlichen an der Installation im hinteren Teil der Ausstellung. Die 18 gleichformatigen Hirsche sind Abzüge eines Vesperbrettchens. Beim Frühstücken ist ein Stückchen Ei auf das verbrauchte Stück Holz gefallen, direkt auf die Schnute des Tieres, sodass es wirkte als hätte es die Zunge raushängen. Ein zufälliger Moment, bewusst als Bild wahrgenommen und eingefangen. Die Idee es so zu kombinieren und mit Pinsel und Farbe zu vertiefen kam erst später. Dieser Hirsch der über die Jahre immer mehr Spuren erfährt durch die unvermeidliche Bearbeitung mit dem Messer ist jetzt in Verbindung mit einem behaarten menschlichen Körperteil der ebenso Kratzer aufweist an der Wand.
Hermann hat eine ganz eigene Bildsprache entwickelt. Wir entdecken einige Geweihe und Blüten in seiner Arbeit - Zeugen der Vergänglichkeit. Das Geweih als Überrest eines toten Tieres, die Blüte als Zeichen welkender Schönheit. So stehen die drei blumenreichen Fotoarbeiten passend in einer Flucht mit einer Arbeit zu einem Grabstein.

Auf die Frage warum die meisten Werke von ihm eher düstere traumhafte Atmosphäre vermittel, sagte Herr Hermann lachend: "das Leben ist doch schon bunt genug". Die Werke zeigen nämlich eben nicht die Wirklichkeit, sondern zielen auf Assoziationen. Sie erfinden Geschichten mit verschiedenen Verzweigungen - jede in eine andere Richtung. Man wird regelrecht in die fiktiven Reiche hineingesogen.
Jeder kennt es - dass manchmal unser Gedächtnis mit uns Späße treibt, indem es Momente, Situationen und Erinnerungen überlagert und zusammenfügt und undeutlicher werden lässt. Es scheint als würde in der Kunst von franz E hermann dieser Prozess sichtbar. Der Eindruck entsteht fast, als wären die einzelnen Werke zusammengeraffte Fragmente eines Lebens. Und besonders das Übereinanderlegen der Ebenen macht die Flüchtigkeit der Momente so deutlich. Die partielle Transparenz leitet unseren Blick dabei. Wir betrachten durch Vorhänge oder Aquariumsgläser. Wo sich manchmal diese Grenzen durch eine Art dumpfe Verschleierung positionieren - wie ein Traum, konzentrieren diese unseren Blick auf die klaren Formen der Komposition. Man kann sagen immer sind die Werke begleitet von einer gewissen Ambivalenz. Sie lassen immer genug Raum für freie Assoziationssprünge. Aber die Assoziation ist auch genau das worum es geht.
Franz E Hermann ist ein Sammler. Alltägliche Gegenstände findet er und löst sie aus ihrer Geschichte heraus und bringt sie in ganz neue Kontexte zueinander. Trotzdem bringen diese beiläufigen Objekte immer eine Erinnerung an ihre Abkunft mit sich und bereichern die Kunstwerke auf ihre ganze eigene Weise. So kommt es, dass das Betrachten nicht nur Neues erschafft, sondern der ein oder andere auch Dejavu- Erlebnisse erfährt. Ein Prozess setzt sich in Gang und wir müssen uns erinnern.
Seine Absichten sind für uns vielleicht auf den ersten Blick nicht immer ersichtlich. Aber das ist auch nicht wichtig. Hermann selbst geht manchmal mit einer ersten Vorstellung an Werke die sich dann komplett in eine andere Richtung entwickeln. Und es kommt auch mal vor, dass sich Objekte so stark von ihrem ursprünglichen Kontext lösen, dass nicht mal der Künstler selbst sich erinnern kann, wo eigentlich sein Ursprung lag. Aber genau das ist gut.
Er schafft, dass wir plötzlich Dinge die eigentlich ständig in unserem Wahrnehmungsfeld liegen, mit anderen Augen sehen können. Die Vermischung von Vertrauten und fast schon verstörenden teils unbekannten Elementen rüttelt uns wach. Für einen Moment können wir der Lethargie des Alltags entrinnen und uns in der Vielschichtigkeit der Werke verlieren. Die Auseinandersetzung ist jedes mal anders. Für jeden Einzelnen ein ganz individueller zeitloser Prozess. So möchte ich auch gar nicht weiter Worte verschwenden und Sie ganz allein auf Entdeckungsreise entlassen.
 
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Letzte Aktualisierung: 28.05.2013 15:22:08 © 2015 Kunstverein Trier Junge Kunst e.V.