Sebastian Böhm
Spaziergang mit dem Maler

 

Rundfunkbeitrag vom 30. September 2006

Anmoderation: Der Maler Sebastian Böhm besuchte als Autodidakt Kurse des August-Macke-Preisträgers Gotthard Graubner, pendelt zwischen Trier und Dresden und ist kunstinteressiertem Publikum mittlerweile nicht nur durch seine farbintensiven Bilder bekannt, sondern auch wegen seiner berüchtigten Streitbarkeit in Sachen Kunst. Beides, die Malerei und die Diskussion darum, hat er in einem Katalogbuch vereint, das über den Kunstverein Trier zu beziehen ist. Ziel des Buches: Der Leser soll mit dem Maler durch Wahrnehmung und malerisches Denken wandern, treffender Titel: "Spaziergang mit dem Maler".

Thomas Rath: Seine Bilder tragen Titel wie "Wiesenlicht", "Farbwolke" oder auch "Spaziergang mit dem Maler". Mit dieser fast zwei mal zwei Meter messenden Leinwand, die wie alle Bilder Sebastian Böhms im Spannungsfeld mikroskopischer Farbklänge vibriert und nur eine Handbreit vom Monochromen entfernt ist, mit dieser Arbeit hat es etwas besonderes auf sich, denn sie ist eine Art von Kreuzungspunkt zwischen dem Maler und dem Schreiber Sebastian Böhm, der unter eben diesem Titel einen lyrischen Prosatext heraus gebracht hat, der das Malersein in vielen Facetten höchst poetisch reflektiert. Tages- und Lebensgestaltung eines Künstlers werden genauso thematisiert wie Fragen des Bildaufbau, Kombination von Farben oder zur Physiognomie des Sehens. Da heißt es etwa: "Der Maler schließt die Augen. Der violette Block, der in seinen Lidern ist, war wohl einmal das Fenster. Und er denkt, seine Augen arbeiten sogar als Verstärker. Der Block schwebt zur Seite, taucht dann an gleicher Stelle wieder auf und verschwindet wieder."
Dieser schwebende Gleichklang ist Sebastian Böhm nicht in den Schoß gefallen, er hat ihn, ähnlich wie seine Bilder, in jahrelanger Mühe erarbeitet.

Sebastian Böhm: Ich hab angefangen das auf Karteikarten zu schreiben. Das Manuskript, als es dann handschriftlich los ging, hab ich in vier Wochen runtergeschrieben und hab dann diese lange Zeit, also über fünf Jahre, gebraucht, um das immer wieder aufzuarbeiten, zu verändern, Kapitel reinzunehmen, rauszunehmen. Das entspricht wirklich sehr stark dem malerischen Prozess bei mir.

Thomas Rath: Eine weitere Ähnlichkeit zwischen Malen und Schreiben besteht für Sebastian Böhm in Bezug auf die Frage "Wann soll ich aufhören?".

Sebastian Böhm: Die Sachen werden erst dann beendet bei mir, wenn im Grunde die Angst überwiegt, es kaputt zu machen. Also eigentlich ist kein Bild fertig. Niemals, davon bin ich eigentlich überzeugt. Da glaub ich nicht dran, da glaub ich auch bei anderen Malern nicht dran und das macht ja auch nichts. Im Gegenteil: Es ist ja eigentlich sehr schön, wenn man sieht, dass man sich selbst überholen kann, dass man in einem Bild stecken bleibt, in einem anderen Bild eine bestimmte Behauptung formuliert, die dann wieder überträgt und so weiter. Im Text war das eigentlich sehr ähnlich.

Thomas Rath: Der Maler, dem der Leser in Böhms Text folgt, ist ein ruhiger, introvertierter, genauer Beobachter der Natur und seiner selbst. Er ist überdies immer allein. Anzeichen von Kommunikation, abgesehen von derjenigen über seine Bilder, gibt es keine. Findet hier autobiografisches seinen Niederschlag?

Sebastian Böhm: Die Grundstimmung ist schon einsam, das muss nicht immer negativ sein. Es ist auch nicht einfach, man muss auch aufpassen, dass man den sozialen Kontakt nicht verliert, weil man in der Malerei sehr sich selbst verantwortlich ist. Man ist Auftraggeber und Auftragnehmer in einem. Man kann sich wunderbar zurückziehen hinter die These "Das ist mir egal, was andere denken", das hat immer ein bisschen was mit Radikalität zu tun, die immer gefährlich ist.

Thomas Rath: Ob malen oder schreiben, es geht, meint Sebastian Böhm, darum, dass der Künstler handelt, dass er seine Arbeit voran treibt. In diesem Sinne hat er seinem Text ein Zitat aus dem letzten Brief Paul Cezannes vorangestellt, in dem er seinen Farbenhändler dringend um die Zusendung von Gebranntem Lack bittet.

Sebastian Böhm: Im Grunde geht's ums Machen. Wenn man eine sehr schöne Bildidee hat, und vielleicht ein großes, geniales Talent für die Malerei, aber nichts macht, ist kein Bild da. Das ist im Grunde auch das worum es bei Cezanne geht: Bilder malen kann er nur, wenn der Herr Farbenhändler endlich mit seinen sieben Tuben Gebrannten Lack rüber kommt, die schon seit längerer Zeit bestellt sind. Das ist der letzte Brief, der überliefert ist von Cezanne. Es war wirklich knapp, er brauchte die Farben, weil er musste ein Bild fertigstellen. Er ist nicht mehr fertig geworden. Es war wichtig.

Thomas Rath: Böhms Text, den der streitbare Maler geschrieben hat, weil er auch ein Denker ist und um seine vielen Gedanken zur Malerei unabhängig von Gesprächspartnern, an denen es ihm keineswegs mangelt, einmal zu sortieren, Böhms Text ist eine schöne, liebevolle, ein wenig romantische Apologie des Malens. Den meisten Gewinn hat wohl jener Leser, der mit Böhms rätselhaft nach innen leuchtenden Bildern vertraut ist, den die Frage nach ihrem Woher bewegt. Ein solcher Leser findet im Text zwar nicht den fertigen Schlüssel hierfür, aber möglicherweise den Draht, aus dem er ihn sich biegen kann.

Abmoderation: Das Buch "Spaziergang mit dem Maler" von Sebastian Böhm kostet 15 Euro im Kunstverein Trier.
Das nächste Projekt von Sebastian Böhm ist ein grenzüberschreitendes Projekt zwischen Deutschland und Luxemburg in dem Fluss Our. Zusammen mit dem Künstler Werner Müller baut Böhm Anfang 2007 dort eine Holzinstallation. Ansonsten orientiert sich Böhm künftig stärker nach Dresden und Leipzig. Dort seien die Förderungen für Künstler und die Ausstellungsmöglichkeiten wesentlich besser als in Rheinland-Pfalz.

 

Quelle: SWR2, Journal aus Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg vom 30. September 2006
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Link: Sebastian Böhm, Spaziergang mit dem Maler, 3. 12. 2005 bis 29. 1. 2006

 


Letzte Aktualisierung: 08.11.2006 11:06:38 © 2010 Kunstverein Trier Junge Kunst e.V.