Der Wirklichkeit brave Bilder
Werke der Teilnehmer und Preisträger des renommierten Saar Ferngas Förderpreises
in Trier
Von unserer Mitarbeiterin
EVA-MARIA REUTHER
TRIER. Kunst unter 35: Was der begehrte Saar Ferngas
Förderpreis 2002 an Wettbewerbsbeiträgen zu bieten hat, zeigt eine Ausstellung in Trier.
Der Preis ist wirklich heiß. 1200 Künstlerinnen und Künstler aus
der ganzen Republik hatten sich um den seit 1992 ausgeschriebenen Saar Ferngas
Förderpreis junge Kunst 2002 beworben. Übrig blieben am Ende 43 Bewerber, von denen sich
schließlich drei das großzügig bemessene Preisgeld von 17 500 Euro teilen mussten.
Welche Arbeiten Gnade vor der 10-köpfigen Jury fanden, kann jetzt in einem
repräsentativen Querschnitt in der Trierer Tuchfabrik und in der Galerie Junge Kunst, die
für Trier die Schau besorgt hat, besichtigt werden.
Was sich darstellt, ist eine interessante und gerade was die Medien angeht, zeittypische
Ausstellung mit durchschnittlich gutem bildnerischen Niveau. Auf den ersten Blick fällt
das deutliche Übergewicht an inszenierter Fotografie auf, wie es auch der derzeitigen
Situation auf dem Kunstmarkt entspricht. Wer mittels Foto-Apparat und Computer seinen
Traum oder eine andere Geschichte erzählt oder sein Bild vom Leben in Szene setzt, ist
zumindest medienmäßig top aktuell.
Aber auch wer sich mit uralten malerischen Problemen auseinandersetzt, scheint derzeit gut
beraten, wenn er statt Pinsel und Palette digitale Mittel einsetzen kann. Kein Wunder,
dass in dieser Schau die herkömmliche Malerei fast völlig fehlt. Ob nun der Computer mit
seinen fast unbegrenzten Möglichkeiten der Bildbearbeitung die Künstler absorbiert oder
die Kunstschaffenden als Kinder ihrer Zeit einfach trendy und marktorientiert dem
Zeitgeist folgen, ist schwer zu entscheiden. Auf jeden Fall macht auch hier die Technik
nicht die Kunst. In der Trierer Schau bleibt jedenfalls der Zugriff der Künstler unter 35
auf Wirklichkeit und Vision geradezu erstaunlich brav. Da gehört der Klauke-Schüler
Martin Gaissert mit seinem Sturm auf gut bürgerliches Mutterglück und
Madonnen-Herrlichkeit zu den erfrischend frechen Höhepunkten genauso wie Annika Langoschs
schizophrenes Menschenschwein, das nicht nur in der Kunstgeschichte zahlreiche Verwandte
hat.
Einen witzigen Traum träumt auch Kerstin Zu Pan in ihrer Arbeit "Stonehenge".
Mit dem Zweiten Preis (5000 Euro) ausgezeichnet wurden die fotografisch-malerischen
Grenzgänge von Melanie Wiora. Ausgesprochen poetisch hat die Künstlerin Leonardo da
Vincis Wort "Die Augen sind die Fenster der Seele" ins Bild gesetzt.
Außergewöhnliches kommt in diesem Wettbewerb ganz wie im wirklichen Leben nicht vom
Populären, sondern von den Minderheiten.
Die eindrucksvollste Arbeit bietet der dreidimensionale spärlich bestückte Bereich der
Bildhauerei und der Installation. Mit ihrem raumgreifenden Mann, der Milch verschüttet,
hat Julia Kröpelin (3. Preis 3000 Euro) eine hochdynamische packende Arbeit geschaffen.
In ihrer Installation, die den Galerie-Raum der Jungen Kunst beherrscht, verdichten sich
die Versatzstücke der Kunstgeschichte mit der Vorstellung von Wirklichkeit und
Wahrnehmung zu einem neuen spannenden Gesamtbild. Über seine Milch scheint sich Julia
Kröpelins Mann selbst zu verschütten. Wohltuend aufmüpfig ist Katharina Greves
Einkaufswagen für himmlische Genüsse.
Fragwürdig erscheint die Entscheidung für den Hauptpreis (8000 Euro). Er ging an einen
der drei Video-Künstler. In "Mathilde, Mathilde" hat die gebürtige
Staßburgerin Mathilde ter Heijne, die unglückliche Liebe der gleichnamigen Hauptfiguren
dreier französischer Filme auf die eigene Person projiziert. Herausgekommen ist dabei ein
recht banales Melodram, dem eben jener notwendige Schuss Ironie fehlt, den die Künstlerin
für ihre Arbeit beansprucht.
Wehe, wem es im Event-Zeitalter an Publikumsgunst mangelt, weiß man auch bei Saar
Ferngas. Weshalb die Veranstalter diesmal noch einen Preis des Publikums (1500 Euro)
vergaben. Dessen Gunst sicherten sich Klaudia Stoll und Jacqueline Wachall mit ihrer
Video-Liege, auf der man sich's auch in Trier bequem machen kann.
Quelle: Trierischer Volksfreund, Kulturseite vom 10. Januar 2003
Link: Saar Ferngas Förderpreis Junge
Kunst 2002, Trier, 11.1.-2.3.2003
|