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Mittwoch, 28. Februar 2001



















 

KUNST

Praller Bauch mit langen Fingern

Poesie trifft auf Dürre: Susanne Windelen kontra Jochen Fischer

Von unserer Mitarbeiterin
EVA-MARIA REUTHER

Fein ausbalancierte Arbeit: "Johaentges Weizen" heißt diese Installation von Susanne Windelen.Foto: Europäische Kunstakademie

TRIER. Gegensätze ziehen sich an. Zwei zeitgenössische bildhauerische Positionen zeigen in einem gemeinsamen Projekt der Trierer Kunstverein Junge Kunst und die Europäische Kunstakademie.

Wer genug hat von Talkhow-Geschwätzigkeit und Big Brother- Exhibitionismus, der kann derzeit im Kunstverein Junge Kunst sein Seelen- und Geistesleben nach innen kehren.

In ein intimes Atelier hat die Bildhauerin und Installationskünstlerin Susanne Windelen den Galerieraum in der Karl-Marx-Straße verwandelt, dessen Abkehr und Stille an die Genrebilder holländischer Altmeister erinnert. Eine noch unfertige gelb-blaue Reuse aus Stoff und Metall "ergießt" sich über einen hölzernen Arbeitstisch in den Raum. Für einen Augenblick ruht die Arbeit, was ein leerer Stuhl signalisiert. Dass "alles fließt”, wissen wir vom griechischen Philosophen Heraklit. Jenen immer währenden Fluss im Bild darstellen wie anzuhalten, ist ein Vorzug der Kunst.

Zwischen Gegenwart und Geschichte

Die 1959 geborene Bildhauerin und Installationskünstlerin, die als Dozentin an der Europäischen Kunstakademie Trier lehrt, hat sich dieses Privileg zum Kunstprinzip gemacht. Zu immer neuen Bildfindungen dient ihr das lebensspendende Fließen. Man kann ihr reizvolles malerisches Raumstück als Sinnbild des künstlerischen Schaffensprozesses halten. In der Abgeschiedenheit des Ateliers und des eigenen Innern entwickelt sich die Idee zur Form. Darin ist Windelen – über Atmosphäre und Farbe hinaus – der altmeisterlichen Bildersprache und Symbolik nahe.

Überhaupt beeindruckt die Künstlerin durch ihre poetische Form -und Farbsprache. Oben in der Kunsthalle der Akademie, wo Windelen längst die Werkstatt hinter sich gelassen, das Bild gefunden hat, reizt die Poesie ihrer Arbeiten. Ins Auge fällt immer wieder der bildnerische Fluss zwischen Gegenwart und Geschichte. Der pralle Bauch und die langen Röhrenfinger einer tiefblauen Gummi-Stoff-Plastik erinnern gleichermaßen an wollüstige altmeisterliche Dudelsäcke wie an Nick Crosbies junge aufgeblasene Kunststoffplastiken.

"Johaentges Weizen” – gegenüber besticht als fein ausbalancierte bildhauerische Arbeit, die Bilder von vollem Leben und reicher Ernte hervorruft. Himmel und Erde scheinen sich als Wüsten-Traum in Windelens großräumiger Installation "Maadi Boutique” zu berühren. Über die schwere Erde, die bei Nacht aus allen Sternen in die Einsamkeit falle, klagte einst ein deutsche Dichter. Bei Susanne Windelen sind die Sterne rot-gelbe Stofftrichter. Daraus regnet es leichten Sand, der auf dem Boden feine wellige Hügellandschaften malt.

Indes: "Man soll auch die andere Seite hören”. Die bestreitet inhaltlich und räumlich Windelens Kollege Jochen Fischer, Jahrgang 1954, ebenfalls Frankfurter Künstler und Professor an der dortigen Universität. Wo Windelen üppig und weich über den Fluss des Lebens sinniert und in warmen Farben schwelgt, hat Fischer längst ausgeträumt und auf Dürre gesetzt. Leider hat er dabei weitgehend seinen aus früheren Arbeiten bekannten Witz verloren.

Zahme Objekte in klinischem Weiß

"Es war einmal ein schöner Traum” heißt seine Installation aus teilweise umgebauten Feuerwerksgerüsten. Die stehen wie bestellt und nicht abgeholt im Raum. Da tröstet weder der Hinweis auf die gemäßigt bizarre Ästhetik der inszenierten Ready-mades noch die Handreichung, dass dies ein Gleichnis sei für den Niedergang der kommunistischen Systeme und ihres Trierer Urvaters Karl-Marx. Das Thema hätte man sich sorgfältiger durchgeführt gewünscht, wie die Musiker sagen.

Schließlich vermittelt jeder morgendliche Rummelplatz mehr Katerstimmung und Tristesse als Fischers zahme Objekte, die überdies der lichte Raum mit seinem klinischen Weiß noch neutralisiert.

Auch die an der Wand wie Sauschwarten aufgespannten toten kommunistischen Hosen lassen den Betrachter eher unbeteiligt. Man muss ja nicht wie Kollege Oleg Kulik gleich nackt auf den ehemals kommunistischen Märkten seine Blöße zeigen. Aber etwas mehr heiliger Schauer täte schon gut. Richtig witzig ist dagegen Fischers Kabelsalat mit Zünder: "Wer die Hitze nicht aushalten kann, soll aus der Küche gehen”, heißt es ungefähr in der Gebrauchsanweisung dazu. Na, eben!

bis 18. März: Galerie Junge Kunst, Tel.: 0651-74051, Do-Fr 17-19, Sa 11-14 Uhr und nach Vereinbarung, Kunsthalle der Europäischen Kunstakademie, Tel.: 0651-99846-0, Di-So 11-17 Uhr, Mo geschlossen




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