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Es hätte ja sein können, daß die Ausstellung vom "Grünen Punkt" gesponsert
worden ist. Denn es ist ein großartiger Einfall, aus vergammelten, aber wertvollen
Rohstoffen Kunstwerke zu fertigen. Maren Roloff benutzt ausgediente Autoschläuche,
bewahrt sie davor, auf legalen oder wilden Müllkippen entsorgt zu werden und erhöht sie
durch ihren künstlerischen Eingriff.
Wieviel Tausende an Kilometern mögen hier versammelt sein, denke ich beim Blick durch die
Galerie, und weiter: Wieviel Reifenwechsel und Schlaglöcher hat solch ein Objekt schon
hinter sich. Die Künstlerin kommt aus Leipzig? Aha, zeigt sich hier etwa die neue
Ossi-Kunst, deren Herkunftsorte man sich ja als ärmlich vorzustellen hat? War dieser
Schlauch, aus dem die Künstlerin eine riesige "Hängematte" geschnitten hat,
einst im Inneren eines Traktorreifens, auf dem eine "verdiente Traktoristin"
über die weite Fläche ihrer LPG gerollt ist?
Alles dummes Zeug! Oder vielleicht doch Ausfluß der "menschlichen Psyche mit ihren
oft verwickelten Gedanken und Gefühlen", wie der Einladungstext anmerkt?
Vielleicht sollte man sich nicht gleich der Assoziationsflut überlassen, sondern genau
hinsehen, wie die Künstlerin mit dem Material umgegangen ist. Zum Beispiel, wie sie die
Elastizität des Gummis benutzt. Der formt sich nämlich, wenn er von der Decke
herabhängt, ganz anders, als wenn man ihn an die Wand nagelt. Beide Möglichkeiten
bringen voluminöse Objekte hervor, die außerordentlich plastisch wirken. Der an der
Decke hängende, sich herabwindende Schlauch scheint noch mit Luft gefüllt, so straff
spannt sich das Gummi.
Ganz andere Formen ergeben sich, wenn Maren Roloff lineare Schnitte in die Gummifläche
macht, wobei sie weder etwas wegnimmt, noch etwas hinzufügt. Man kennt diese Technik vom
Papier her. Kinder machen so etwas gerne, um "Deckchen" herzustellen, aber
natürlich reagiert das Gummi ganz anders als Papier. Diese Objekte hängen entweder ganz
schlapp von der Wand herab oder zeigen ihre Elastizität, wenn man sie unter Spannung
setzt. Die Streifen und Bänder, die Längs- und Querverbindungen formen sich zu komplexen
Mustern und wirken ganz einfach schön. Ich meine, man sollte es bei diesem Eindruck
belassen und die Objekte nicht unnötig mit semantischen Vermutungen aufladen. Die
Einzelobjekte ebenso wie ihre Anordnung in einer Installation folgen ihren Material- und
Formgesetzen und keinen inhaltlichen Vorgaben.
Obschon... wenn ich das linear ausgeschnittene Gummikreuz an der Wand hängen sehe und
bemerke, daß augenscheinlich sehr sorgfältig das Schlauchventil stehengelassen wurde,
dann überkommen einen sofort wieder die merkwürdigsten Gedanken...
Noch bis 4.12.
HS |