Plastikverhüllt und schwer
keuchend bewegt sich Siggi Feid in seinem Käfig aus Tesagitterstäben
Helmut Kiesewetter bei der Waschung und Salbung kindlicher Füße vor seinem Wasserraum
Fotos: Lutz

Ungewöhnlicher Vernissage-Besucher

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AUSSTELLUNG
"Patt-eX"
und
Tesa-Film
Das Trierer
Kulturzentrum Tuchfabrik bietet progressive Präsentationen Bildender Kunst. In kreativer
Tuch-Fabrik-Architektur-Atmosphäre engagiert sich hierbei nicht zuletzt der Kunstverein
Trier mit seiner Avantgardegalerie Junge Kunst. Erwähnt seien die Experiment(A) sowie das
geplante Kunst- und- Knast-Projekt.
Und natürlich "Patt-eX". Die große Gruppenausstellung umfaßte die
namensgebende Trierer Künstler-gruppe, die Paulusplatz-Ateliergemeinschaft sowie einen
Gast aus Wuppertal. Sie präsentiert sieben Künstler der Galerie.
Ina Seidler-Kronwitters Bleistift-zeichnungen auf gelbem Papier gehörten
bereits zu den wenigen Glanzlichtem der vom Kunstverein übernommenen Wanderausstellung
"Zeichnung in Rheinland-Pfalz". Sie und Seidler-Kronwitters große
Mischtechniken auf Leinwand übersetzten alltägliche Figuration in malerische Magie,
graphische Kontur und freche Farbe.
Sebastian Böhm stellte erstmals aus. Der Nesselüberzug seiner
Hexenkreis-Pilz-Objekte wird durch Pigmentierung zu einer Art von Bild. Und korrespondiert
mit bemalten Bild-Tafeln, die sich bodentief gehängt - vor allem als objekthafte
Gegenstände verstehen. Zwischen Plastik und Malerei, zwischen Gemälde und Gegenstand
hinterfragt deren Installation konventionelle Kunstkategorien.
Siggi Feid, Mitbegründer von Gruppe und Galerie, beschickte das
10-Jahres-Jubiläum der "Jungen Kunst". Er setzt sein Alltagsleben als
Kunsterzieher im Strafvollzug ins Allgemeine um. Zu einem malerisch-graphischen
Tesa-Film-Käfig mit der Knast-Kunst-Thematik Angst und Freiheit beispielsweise. Oder zu
einer Perforrnance.
Christoph Jakobs formt Holzliegestühle zu Kunstobjekten. Dabei fahndet
er nach plastischen Werten. Er konvertiert die Stoffbahnen seiner Liegestuhl-Objekte zu
Skulpturalem und konstruiert die Objekte um. |
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Vorgefundene
Kreuzforrnen versetzen sie in imaginäre Bewegung, ihre Umrisse verraten den Graphiker und
haben zugleich eine malerische Wirkung.
Helmut Kiesewetter photographiert Natur- und Alltagsausschnitte. Trotz
achsialer Montage verweisen sie mit asymmetrischmalerischer Gestaltung auf ihre Herkunft
von der Malerei. Wie bei seiner Ausstellung im Kunstverein verband Kiesewetter diese
Bilder mit dem Raum. Den Boden füllte er mit dem Natur-Element Wasser, die Wände mit dem
Kunst-Medium Photo. Die Assoziations-Installation bot Kunst-Philosophie, Sinneserfahrung
sowie das Erleben von Gegenständlich-Natürlich-Alltäglichem. Und auch diesmal hieß es:
"Betreten erlaubt" - der Kunst-Raum lud zum Wasser-Waten.
Auch Werner Müller kommt vom Malen. Er schuf die Schaufeln der
Experiment(A). Sie waren aus Pappe. Sie waren nicht von Pappe. Und Müllers aktuelle Topf-
Spül-, Schuh- und Nagelbürsten-Objekte sind aus Holz. Durch Bildhauer-Stechbeitelspuren
und rauhe Reisigborsten eignet ihnen malerische Farb- und Ober-flächenstruktur. Ihre
Vergrößerung verschiebt Maßstab wie Wahrnehmung und konfrontiert mit Magie und
skulpturalem Charakter des banal Alltäglichen.
Und Bernd Sauerborn schließlich ist ein Künstler, wie er im Buche
steht. Der "Buchmaler" macht malerische Bücher-Objekte. Dafür verwendet er
Alltagspublikationen. Oder das "Kunstforum". Seriell installierte der
Buchkünstler Ausgaben dieser Zeitschrift auf einem "Büchertisch". Die
Umschläge waren mit graphischen Chiffren in Mischtechnik übermalt und nach den
dargestellten Gegenständen geordnet. Auf Haus folgt Hut, auf Hut folgt Hammer: ein Spiel
mit Buch, Bild, Begriff und Buchstabe. Der Tisch wird durch die Zugabe zweier
Kreuz-Bild-Buch-Tafeln zu einem Altar mit Diptychon sakralisiert. Ironisch weist dadurch
das "Kunstforum" auf Kultur-Verehrung, die Tischinstallation wird so zum Forum
der Künste.
Zusammenfassend reflektierten die sieben Künstler der Gruppe in konstruktiver
Auseinandersetzung mit den Fabrikräumlichkeiten der Tufa über das Malerische, das
Graphische sowie die Magie von Alltag und Gegenständlichkeit. Sie stellten mutig mit und
nicht gegen die schwierig zu gestaltenden Ausstellungsräume aus. Damit gelang ihnen eine
Gesamt-Installation von erstaunlicher Kraft.
Heinrich Nebgen in seiner Eröffnungsrede (leicht gekürzt)
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