GALERIE JUNGE KUNST
Karl-Marx-Straße 90
Tel.: 40788
Öffnungszeiten: Do und Fr von 17 bis 19 Uhr, Sa von 11 bis 14 Uhr.
Bis 10.6.
Dany Prüm, Isabelle Schmitz, Barbara Wagner:
Bild- (Objekte) Installationen
Die Eröffnungsrede hielt Bernd Sauerborn. Der Text hat poetische Qualität, deshalb
bringen wir ihn im Wortlaut.
"Die Rede soll von Fragmenten sein, von Teilen,
Bruchstücken, Rissen, Zerbrochenem, Zersplittertem, Getrenntem!
Ein kluger Mensch hat einmal geschrieben: Ein gutes Gedicht muß gebrochen, also ganz
sein. Und trotz dieses scheinbaren Widerspruchs ist es richtig, daß, wo keine
Bruchstücke sind nie eine Einheit war.
Gute Kunst lebt von ihren Widersprüchen, ihren Ecken und Kanten. Nichts sollte glatt und
sauber sein und zur reinen Dekoration verkommen. Das heißt nicht, daß keine Harmonie
herrschen darf in den Formen und Farben, keine Ruhepunkte für das Auge, keine meditative
Stille in den einzelnen Fragmenten. Nur schläfrig machen darf die Kunst nicht und in
steriler Ästhetik erstarren.
Spätestens seit Platon kennen wir die Sehnsucht des gebrochenen Ich's nach Ergänzung,
das Streben nach Einheit, Vollkommenheit und Harmonie, und wir wissen auch um das
ständige Scheitern dieser Bemühungen.
Jeder von uns kennt es, dieses ständige Stolpern über Bruchstücke.
Wann immer wir einmal die gesicherten Gestade unseres ruhiggestellten Daseins verlassen,
wann immer wir es gestatten, uns vom Mainstream unseres Lebens ans Ufer treiben zu lassen
und ein wenig in der Asche des Vergessens zu stochern, finden wir Fragmente!
Fragmente unserer Kindheit, unserer Erziehung, unserer Berufe, unserer gescheiterten Ehen
und verlorenen Freunde; Bruchstücke verpaßter Chancen und genutzter Gelegenheiten,
Bruchstücke von verlorener Zeit und vergeudeter Liebe, von unnötigem Haß und falscher
Zuwendung; Bruchstücke von Städten und Plätzen, von Orten der Sehnsucht und der
Einsamkeit, von Momenten grenzenlosen Glücks und Augenblicken tiefster Verzweiflung - und
einfach viele glitzernden Splitter von PS-Zahlen und Kontoständen, von Bob Dylan Songs
und Latzhosen, Wollpullovern und Seidenhemden, Friedensdemos und Autobahnstaus, |
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von
schalem Bier und prickelndem Champagner, von himmlischen Kaviarnächten, und von Tagen
versalzener Pellkartoffeln, von Kindtaufen und Geburtstagen rüstiger Greise, von
abgebrochenen Autoschlüsseln und den Schlußlichtern verpaßter Omnibusse.
All diese Fragmente umkreisen uns wie Planeten, gehalten
von der Anziehungskraft der Erinnerung, und entfernen sich doch immer weiter von uns.
Das Bruchstück als Synonym des Lebens. Warum also sollte ausgerechnet die Kunst nach
Einheit streben, im Rahmen bleiben, überschaubar sein!
Im Gegenteil: Gerade in der bildenden Kunst, wo oft sogar die Farbe den Pinsel des
Künstlers bestreikt, wo Material ein ungewolltes Eigenleben entwickelt, dem man seinen
gestalterischen Willen aufzwingen muß; gerade in der Kunst, wo der Schaffensprozeß
von gleicher oder größerer Bedeutung ist als das Ergebnis der Arbeit,
und wo das vollendete Werk nie das Resultat eines kalten Kalküls sein sollte, aber stets
eine Vision vermittelt, gerade da müssen wir bemüht sein um Risse, Spalten und
Abgründe, um Widersprüche, die wir diskutieren können und um deutliche Zeichen, wie
weit wir trotz allen Strebens nach Perfektion von der Vollkommenheit entfernt sind.
Wenn diese Ausstellung dennoch als eine geschlossene Einheit erscheint, als harmonischer
Dreiklang verschiedener Solisten, dann beweist das nur, wie meisterlich die Künstlerinnen
mit der Ästhetik des Fragments umzugehen wissen, und wie sicher sie bereits sind im
Umgang mit ihrem eigenen Material, welches jede auf ihre Weise zum Sprechen bringt.
Dies ist eine narrative Ausstellung, und wenn wir genau hinhören, werden die Arbeiten
Geschichten erzählen von vorschütteten Erinnerungen, vergessenen Träumen, aufgespielten
Augenblicken der Kindheit und der Gegenwart, ... und immer wieder von der unaufdringlichen
Ästhetik einfacher Materialien, die erst dann ihre ganze Schönheit entfalten, wenn sie
in gute Hände geraten."
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