Die Poesie als Denkraum

Die Trierer Galerie Junge Kunst zeigt Arbeiten der Berliner Künstlerin Stefanie Bühler. Titel der Ausstellung: "No Man's Land"- "Niemandsland"

Stefanie Bühler, Stele "Schnee von gestern". Foto: Eva-Maria Reuther
Stefanie Bühler, Stele "Schnee von gestern". Foto: Eva-Maria Reuther

TRIER | (er) In Zeiten, da der Erde eine Klimakatastrophe apokalyptischen Ausmaßes droht, leistet die Trierer Galerie Junge Kunst mit ihrer aktuellen Ausstellung einen ästhetischen Beitrag zum dringenden Diskurs über das Verhältnis von Mensch und Natur. Dabei nimmt der Kunstverein nicht nur die Diskussion um Sein oder Nichtsein des Planeten auf.

Einmal mehr stellt sich auch die Frage, was Kunst zur Veränderung der Verhältnisse und des Bewusstseins beitragen kann. "No Man`s Land" - Niemandsland" heißt die Ausstellung, die Arbeiten der Berliner Künstlerin Stefanie Bühler zeigt. Mit "Niemandsland" werden gemeinhin Territorien bezeichnet, die zu keinem Staat gehören und auch nicht kultiviert oder bewirtschaftet werden. Das Niemandsland ist ein wüstes anarchisches Land, aber eben deshalb auch ein freies.

In solch einem niemand zugehörigen Areal sind die Arbeiten der 1976 geborenen Absolventin der Hochschule für Bildende Künste Dresden angesiedelt, in denen sich als Kunstwerk Natur und Kunst im Bild zusammenfinden. Wer sich die Frage nach dem Verhältnis von Mensch und Natur stellt, muss sich auch die Frage nach der Freiheit von Mensch und Natur und den Grenzen der menschlichen Verfügungsgewalt über sie stellen. Das tut auch Bühler, aber nicht indem sie anklagend Zerstörung, Ausbeutung oder Missbrauch der Natur zeigt.

In ihrem Land wird der Diskurs mit Hilfe des Kunstwerks und seiner sinnbildlichen Zeichensprache geführt. Dazu hat Bühler einen poetischen Naturraum geschaffen, ein surreales Niemandsland aus Collagen, Plastiken und einer Klangkomposition. In ihrer Installation wird der Galerieraum in der Karl-Marx-Straße zu einem Raum, der gleichermaßen in der Zeit wie aus der Zeit ist. In ihrer fantastischen Bildsprache, deren materielle Elemente aus Kunstharz, Holz, Pappe , Granulaten und anderem bestehen, dockt Bühler vielfältig und bisweilen witzig an der Wirklichkeit an.

So erinnert ihre Stele "Schnee von gestern" mit ihren Versatzstücken einstiger Kulturen an alte Ruinenlandschaften. Ihr bläulich schimmernder glitzernder Findling wirkt wie das schillerndes Bruchstück eines Eisbergs. Und ihr witziges Wandobjekt "hierundweg" hat etwas von einem Meteoriten, in dem sich irgendein Wurm (oder war es doch ein menschliches Wesen) einen Fluchtweg gebohrt hat. Die Phantasie explodiert im zentralen Wandobjekt "whiteout", das sozusagen aus einem Papierknäuel entstand und das anmutet wie eine formlose Masse, die erst der Kultivierung bedarf, um formgebend und sinnstiftend zu werden.

Ergänzt werden die bildkünstlerischen Arbeiten im Soundstück durch Klänge. in denen sich Naturgeräusche wie Vogelstimmen und Meeresrauschen mit einer Art psychedelischen Klängen zu einer Klangplastik verdichten. Trotz ihrer Verweise auf realexistierende Naturphänomene bleiben Bühlers Arbeiten Kunst-Stücke im Wortsinn, im Niemandsland künstlerischer Vorstellung.

Erst das schafft allerdings auch dem Betrachter neue Freiräume seiner Vorstellungswelt. Einmal mehr zeigt sich in dieser sehenswerten Ausstellung, worin die Wirkmacht der Kunst besteht. Ganz sicher kann sie nicht unmittelbar in das aktuelle Alltagsgeschäft und seine Verhältnisse eingreifen, mag sie noch so naturalistisch daherkommen.

Das Niemandsland der Kunst ist, wie Stefanie Bühler eindrücklich zeigt, die Phantasie. Ihr Spiel-und Handlungsraum schafft Freiheit für Geist und Sinne und Raum für neue Bilder, Vorstellungen, Erkenntnisse und Denkmodelle. "Die Kunst ist eine Tochter der Freiheit" stellte Friedrich Schiller in einer Abhandlung über die ästhetische (und damit die kulturelle) Bildung des Menschen fest, notwendigerweise eine aufmüpfige Tochter.

 
Quelle: Trierischer Volksfreund vom 18.05.2022 Seite 23 | rp-tv-epaper.s4p-iapps.com

Zur Ausstellung Stefanie Bühler, No Man's Land, 30. 4. bis 29. 5. 2022

 

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Letzte Aktualisierung: 20.05.2022 21:01:04 © 2022 Kunstverein Trier Junge Kunst e.V.