Trierer Galerie bietet virtuelle Kunst-Begegnung

Der Trierer Kunstverein Junge Kunst zeigt mit seinem Projekt "Photoshooting", dass künstlerischer Dialog auch in Zeiten von Coronaviren möglich ist.

Fertig zum Foto mit der Lochkamera.  | FOTO: EVA-MARIA REUTHER
Fertig zum Foto mit der Lochkamera.
FOTO: EVA-MARIA REUTHER

Von Eva-Maria Reuther

Zeiten wie diese erfordern auch im Kunstbereich Flexibilität und Alternativmodelle. Digitalisierung und die Möglichkeit der Telekommunikation erleichtern dabei, was noch vor einem Jahrzehnt unmöglich schien. Wie man auch in Zeiten von Coronavirus bedingten Schließungen Kunstfreunden und anderen Interessierten ein spannendes Projekt vermitteln kann, zeigt derzeit der Kunstverein Junge Kunst in Trier. "Photoshooting" heißen die Aktion und die daraus folgende Ausstellung, deren Bilder der Verein online gestellt hat. Über einen Link sind sie für jedermann zugänglich. "Für uns ist die Internet Vernetzung eine Möglichkeit, den Kontakt zu unseren Trierer Kunstfreunden sowie über Trier hinaus aufrecht zu halten und unser Projekt bekannt zu machen.", sagt Sebastian Böhm, einer der beiden Vorsitzenden des Kunstvereins.

Doch der Reihe nach: Zum erwähnten "Photo-Shooting" war Thomas Bachler im März in die Galerie Junge Kunst nach Trier gekommen. Der Foto-Künstler, der in Dresden lebt und jetzt zum zweiten Mal Gast des Vereins war, setzt sich bereits seit den 80iger Jahren mit den Möglichkeiten der Camera obscura (dunkle Kammer) auseinander, die, zum Kasten montiert, als Lochkamera bekannt ist. Damit liegt Bachler voll im Trend. Immer mehr Fotofreunde und Bastler erwärmen sich für das schlichte Gerät, das immerhin die Mutter aller Kameras ist, bis hin zur aufwendigsten Digitalkamera. Lochkameras funktionieren nach einem einfachen Prinzip, das bereits in der Antike bekannt war. Stellt man einen geschlossene Kasten dessen Vorderseite ein Loch hat, vor eine Person, einen Gegenstand oder eine Landschaft, so werden die von dort ausgehenden Lichtstrahlen gebündelt durch dieses Loch geleitet. Auf der Rückwand des Kastens entsteht dabei ihr Bild. Allerdings erscheint es seitenverkehrt und auf dem Kopf. Schärfe und Helligkeit des Bildes hängen von der Größe des Lochs und der Beschaffenheit seiner Umrandung ab. Die Camera obscura hat in der Natur Kollegen. So funktioniert das menschliche Auge wie sie. Der Augapfel bildet dabei die dunkle Kammer, die Pupille das Loch. Das Gehirn übernimmt es, die entstandenen Bilder wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen. Bereits Leonardo da Vinci erkannte die Übereinstimmungen zwischen Auge und Camera obscura. Für ihn war der Kasten mit dem Loch ein künstliches externes Auge. Für Philosophen wie René Descartes wurde die Camera obscura zum Sinnbild für das menschliche Bewusstsein und seine Mechanismen.

In Thomas Bachlers Arbeit verbinden sich philosophische Ideenlage, Experimentierfreude und ästhetischer Anspruch zu einer ausgesprochen beredten Bildsprache. Dabei beschränkt sich der Künstler in seiner Bildfindung nicht auf den Kasten mit dem Loch. Der Körper selbst ist ihm ebenso wie Innen-und Außenräume eine dunkle Kammer, die sich ihre eigenen höchst subjektiven Bilder schafft. In Trier gesellt sich zu Bachlers Experimentierlust noch ein Stück witzig vorgetragene Gesellschaftskritik, wenn er das aus Mode- und Werbefotografie bekannte "Photoshooting" als Schießerei wörtlich nimmt. Im Klartext: Für sein Projekt, das Teil eines überregionalen Projekts ist, hat Bachler Trierer Galeriebesucher vor einen geschlossenen Kasten gesetzt und anschließend mit seiner "Pistole" ein Loch hinein geschossen, so dass der Kasten zur Kamera wurde, die ihre sitzenden Modelle ablichtete. Herausgekommen sind dabei eine Reihe ausgesprochen malerischer Porträts, um deren Kopf es erhellend lichtet. Manch einem scheint geradezu ein Licht aufgegangen zu sein. Jetzt sind die Trierer Porträts online auf der Website des Kunstvereins zu besichtigen. "Natürlich kann man kulturelle und künstlerische Fragestellungen und Themen auch online zur Diskussion stellen" sagt Böhm. Allerdings ist für den Maler auch klar: Die virtuelle Begegnung ersetzt grundsätzlich nicht das reale zwischenmenschliche Live Erlebnis.

Info:
Link zum Projekt:
http://www.junge-kunst-trier.de/photoshooting/

 
Quelle: Trierischer Volksfreund vom 20. März 2020

Link: Thomas Bachler, PHOTOSHOOTING, 7. 3. bis 18. 4. 2020

 

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Letzte Aktualisierung: 21.03.2020 15:15:02 © 2020 Kunstverein Trier Junge Kunst e.V.