Bodo Korsig | Tung-Wen Margue | Bernd Sauerborn

change
oder der vierte Mann … ein Experiment !

 

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lëtzebuergesch

Anmoderation Fernand Weides: Drei Künstler, deren Namen hier in der Grenzregion in ganz individuellen und unterschiedlichen Konstellationen zu finden sind, gehen ein ungewöhnliches Gemeinschaftsprojekt an: Mit dem Experiment „Change“ erarbeiten Bodo Korsig (er lebt in Trier und New York), Tung-Wen Margue (der gebürtige Luxemburger hat sein Atelier in Beaugency/Frankreich) und Bernd Sauerborn (arbeitet in Trier und Luxemburg) gemeinsam eine Serie von kleinformatigen Bildern, die im November und Dezember in Trier zu sehen sind. Auf seinem Rundgang durch die Großregion ist Paul Bertemes den Künstlern begegnet und hat sie bei den Vorbereitungen auf dieses Experiment ein kleines Stück begleitet. Hier sind seine Eindrücke:

Paul Bertemes: Bodo Korsig, Tung-Wen Margue und Bernd Sauerborn, das sind die Namen von drei Künstlern, die in verschiedensten Zusammenhängen in der hiesigen Großregion anzutreffen sind. Alles ist verschieden bei den Dreien: ihr künstlerischer Ansatz, ihr Werdegang und der Rahmen in dem sie als Künstler leben. Trotzdem sind die drei momentan dabei ein gemeinsames Projekt umzusetzen, welches großes gegenseitiges Verständnis voraussetzt. Dabei scheint auf den ersten Blick alles ganz normal. Drei Künstler planen eine gemeinsame Ausstellung. Das ist sicher nicht spektakulär. Hier aber geht es um eine besondere gemeinsame Ausstellung. Die Vorbereitungen darauf sind langwierig und schon weit gediehen, eigentlich so gut wie fertig. Die drei Künstler treten nämlich in einen direkten Dialog, einen Dialog, der eine besondere Dimension hat. Sie sind dabei eine Serie von rund 80 kleinformatigen Bildern gemeinsam zu erarbeiten. Man darf sich das jetzt nicht so vorstellen, als ob zwei Pianisten ein Stück für vier Hände auf einem Piano interpretieren. Konkret heißt das hier, dass jeder zu Hause in seinem Atelier an so einem Bild in verschiedenen Stadien arbeitet. Der Erste beginnt auf einem individuellen Bildträger aus Holz, Papier oder Zeichenkarton zu arbeiten, genauso als ob er für sich ein eigenes Bild malen würde. Wenn er seine Arbeit, seinen Beitrag als fertig ansieht, schickt er sein Bild mit der Post an den zweiten Künstler, der es mit seinem Beitrag weiter vorantreibt und der schickt es dann zu dem Dritten, der die endgültige Version fertig stellt.

Bei diesem Vorgehen ergeben sich äußerst interessante Konstellationen. So entstehen spannende Beziehungen zwischen den Bildelementen, den Kompositionsakzenten oder den Materialien. Das gelingt durchweg, auch wenn man glauben könnte, dass dadurch der letzte Künstler in der Reihenfolge die beiden anderen „überarbeitet“, um nicht zu sagen „übermalt“ hat. Aber dieses Problem ist erkannt und es wird dafür gesorgt, dass die Reihenfolge der Interventionen der jeweiligen Künstler wechselt. Einmal ist Tung-Wen Margue der Erste, dann Bodo Korsig und dann Bernd Sauerborn. Dasselbe Szenario gilt dann auch für die zweite und dritte Etappe der Interventionen. Nachdem der dritte Künstler das Bild als fertig ansieht wird nicht mehr daran gearbeitet. Die drei Künstler sind sich der Herausforderung durchaus bewusst. Und, so sagen alle, es sei für jeden äußerst reizvoll in diesen Dialog einzutreten, vor allem, weil er ja als gleichberechtigter Partner agiert. Trotzdem gab es zwangsläufig auch manchmal kritische Reaktionen. Wenn z.B. sich einer der drei Partner wundert, was der eine, oder die beiden anderen alles mit seinem Bild gemacht haben, um zur endgültigen Fassung zu gelangen. Aber das hält sich in Grenzen, weil es hier ja gerade nicht um den individuellen Ausdruck geht. Gerade der soll ja mit dieser Methode hinterfragt werden, und so ergibt sich bei den meisten Bildern eine spannende, ja oft spannungsreiche Symbiose. Eine Symbiose, die von drei kreativen Komponenten lebt, die trotz ihrer Unterschiedlichkeit auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden und als neues, übergeordnetes Bild funktionieren.

Natürlich birgt dieses Experiment Gefahren, das wissen die drei Künstler auch, z.B., dass ein zu großes Zufallsprinzip mitspielen könnte. Zum Beispiel auch, dass es schwierig ist eine zusammenhängende Grundidee zu haben. Oder, dass persönliches Hinterfragen im ursprünglichen Wortsinn durch den einzelnen Akteur kaum noch möglich ist. Auf der anderen Seite eröffnet das Projekt interessante künstlerische und intellektuelle Perspektiven. Zum Beispiel, wie sich aus drei individuellen Beiträgen eine neue, eine sozusagen „überindividuelle“ Aussage ergeben kann, die ästhetische und inhaltliche Denkanstösse gibt. Auch, dass das Bild nicht unbedingt einen einzelnen Personenbezug haben muss, eine individuelle Unterschrift tragen muss, und trotzdem eine starke Botschaft transportieren kann. Das Werk steht dann als solches für sich, die Akteure treten in den Hintergrund. Oder es entsteht ein Bild, als ob ein vierter Künstler es erarbeitet hätte. Ein virtueller Künstler also, den es in Wirklichkeit gar nicht gibt. Ein solcher virtueller Künstler könnte durchaus einen eigenständigen Namen haben, wenn man zum Beispiel die beiden ersten Buchstaben der Familiennamen Korsig, Sauerborn und Margue nimmt: Kosama, Samako, oder Masako usw.

Wie komplex das Vorgehen jedoch ist, zeigt ein Blick auf die individuellen Biographien und künstlerischen Standpunkte der drei Akteure. Tung-Wen Margue ist in Luxemburg geboren, seine Mutter war Chinesin, sein Vater Luxemburger. Heute lebt er in Beaugency/Frankreich. Er hat an der „Ecole nationale supérieure des beaux arts“ und an der Sorbonne in Paris studiert. Seine Arbeiten bewegen sich an der Schnittstelle zwischen westlicher und asiatischer Kunst. Er arbeitet viel mit Collagen und spontanen, kalligraphieähnlichen Gesten und ist auch im plastischen, im Skulpturenbereich aktiv. Tung-Wen Margue bewegt sich in einer ganz persönlichen, lyrischen Abstraktion. Mit äußerst starken und feinfühligen Bildern artikuliert er seine innere Geistes- und Gefühlswelt. Bodo Korsig ist in Zwickau/Ostdeutschland geboren, hat in Berlin Bildhauerei studiert und ist Dozent an der europäischen Akademie für bildende Kunst in Trier. Er arbeitet und lebt in Trier und New York. Dieser Künstler arbeitet mit Bild- und Formelementen die vom Holzschnitt kommen, einer Technik, die manchmal an riesige Dimensionen heranreicht. Der Inhalt seiner Arbeit basiert auf ethischen und philosophischen Fragen über das Verhalten des Menschen in Ausnahmesituationen und seine Formensprache ist stark von Bildern aus der Neurobiologie und der medizinischen Recherche über das menschliche Gehirn beeinflusst. Gleichzeitig erstellt er starke und innovative Arbeiten aus dem Bereich der „Livres d´artistes“. In seinen Werken kommt dem Wort, dem oft irritierenden Slogan eine wesentliche und hinterfragende Bedeutung zu. Der dritte Künstler, Bernd Sauerborn, ist in Köllerbach/Saarland geboren und ist von Beruf Goldschmied. Als Künstler, als Maler und Objektgestalter hält er Bezug zu unserer Zeit, arbeitet intensiv mit eher ungewöhnlichen Materialien wie z.B. Wachs, die er mit einer äußerst sensiblen, grafischen Zeichensprache kombiniert, die in einem gegenwartsbezogenen Kontext an archaische Botschaften über den Menschen und die Bedingungen des Menschseins erinnern.

Das Resultat dieses spannenden Experiments mit dem Titel „Change“, kann man vom 20. November bis 20. Dezember 2009 in Trier in der Galerie des Kunstverein Trier Junge Kunst e.V. sehen. Diese für ihre experimentellen Standpunkte bekannte Galerie befindet sich in der Trierer Karl-Marx-Straße 90.

 

Quelle: "Rendezvous an der Galerie" vom 2. November 2009, radio 100,7 Luxembourg
Beitrag: Paul Bertemes, Übersetzung: Bernd Sauerborn

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Link: Bodo Korsig | Tung-Wen Margue | Bernd Sauerborn, change, 21. 11. bis 20. 12. 2009

 


Letzte Aktualisierung: 04.11.2009 19:24:38 © 2010 Kunstverein Trier Junge Kunst e.V.