Felix Koltermann
Rimini Invernale
Fotografien

Felix Koltermann, "Rimini Invernale", Fotografien
zur Ausstellung

18. November bis 23. Dezember 2006

Konzept Ausstellung "Rimini Invernale"


_Kurzvorstellung

Während eines Studienaufenthaltes an der Kunstakademie in Bologna im Frühjahr und Sommer 2005, habe ich mich mit dem Thema urbaner Strukturen beschäftigt. Als Symbol für deutsche Urlauber und die Erschließung für den Tourismus erschien mir Rimini beispielhaft für eine Entwicklung, die urbane Räume ausschließlich funktionalen Zwängen, in diesem Fall dem Tourismus, unterwirft. Mich interessierte dabei insbesondere, wie sich die Stadt außerhalb der Saison präsentiert.


_Konzept

Rimini ist für die Deutschen ein fast mythologisch besetzter Begriff. Er bedeutet für sie ein Traum, eine erste Erfahrung mit Italien. Generationen von Deutschen verbrachten dort ihren ersten Italienurlaub. Rimini gilt auch als Symbol für eine Demokratisierung des Tourismus. Durch billige Reisen wurde Mitte des 20. Jahrhunderts ein Italienurlaub für breite Gesellschaftsschichten erschwinglich.

Dies bedingte auch eine bestimmte Form der urbanen Entwicklung, die be-stimmt war von der Maßgabe, viele Menschen aufnehmen zu können. Die dort vorherrschende Architektur ist austauschbar und nicht an den Ort gebunden.
Sie findet sich ähnlich zum einen in Vorstädten in vielen anderen Regionen Italiens und in ähnlicher Funktion auch in anderen europäischen Ferienzielen, seien es die Balearen, die Costa Brava oder die holländische Nordseeküste.

Rimini lebt vom Paradox dass dort niemand hinfährt, weil es dort ästhetisch ist. Es gibt einen breiten Sandstrand, Strandbäder, einen Gürtel von Hotels und Serviceeinrichtungen. Alles ist rein funktionell angelegt um möglichst viele Menschen aufzunehmen und durch die Ferien schleusen zu können. Die Tou-risten leben in Rimini in der Utopie, in Italien zu sein. Letztlich sind sie fast nur unter ihresgleichen. Damit bedeutet ein Urlaub dort nicht zwangsläufig, auch in Kontakt mit der Italienischen Kultur zu treten.

Die urbane Struktur in der die Menschen sich in Rimini bewegen, unterliegt, wie schon erläutert, ausschließlich funktionalen Zwängen. Sie ist ausschließlich auf eine touristische Verwertbarkeit im Sommer angelegt. Im Winter haben diese Strukturen keinen Sinn, weder einen ökonomischen noch einen städtebaulichen. Der Strand ist menschenleer, die Hotels und Restaurants geschlossen. Das winterliche Grau verstärkt noch die düstere Stimmung die die graue 50er Jahre Architektur verbreitet.

Das Meer und der Strand sind immer Projektionsfläche für menschliche Utopien gewesen. Das Meer repräsentiert die Ferne, das Reisen, den Wunsch danach seine angestammte Umgebung zu verlassen. Angesichts seiner Wellen und seiner Kraft fühlen die Menschen sich frei. Im Winter ist das Meer in Rimini nicht blau, wie in den Tourismusprospekten, sondern grau, dazu noch still und kalt. Es fällt schwer angesichts der vorhandenen Tristesse an eine Utopie zu denken. Wenige Menschen, ausschließlich Einheimische nutzen den Strand zum spazieren und zum ausführen des Hundes. Mit Meer und Strand lassen sich fast alle Menschen in den Urlaub locken. Aber der Strand birgt nur für wenige Monate im Jahr eine Faszination. Im Herbst und Winter ist er dreckig, voll mit Strandgut, den Dingen die das Meer tagtäglich anschwemmt und lädt in keiner Weise zum verweilen ein.

Die Architektur der Strandbäder und Ortsteile in Meeresnähe gehorcht ausschließlich ökonomischen Kriterien. Das absurde ist jedoch, dass diese ökonomische Funktion im Winter ausgesetzt ist. Von daher ist die Frage angebracht, ob es sinnvoll ist, städtische urbane Räume zu schaffen die nur für einen Teil des Jahres einen Nutzen haben, ansonsten aber funktionslos sind. Das heißt in der Konsequenz, dass die Profite für den Zeitraum des Jahres in dem diese Viertel bevölkert sind, groß genug sein müssen, dass sich die Investition lohnt. Für die lokale Bevölkerung die das ganze Jahr in dieser Region lebt, ist dies jedoch toter Raum. Damit ist er letztlich auch für die lokale, von der Saison unabhängige, Ökonomie funktionslos. Die Entwicklung Riminis ist auch beispielhaft für die Erschließung küstennaher Räume für den Tourismus.

Die Leere lässt schnell Assoziationen an Filmkulissen aufkommen. Denn ebenso wie Filmkulissen hat dieser urbane Raum keine Funktion. Man kann sich kaum vorstellen dass zu irgendeiner Zeit des Jahres Leben in dieser Umgebung stattfindet, sich dort Menschenmassen bewegen und Menschen die Räume hinter den grauen Fassaden bewohnen. Die Vorstellung sich in einem der wichtigsten touristischen Zentren Italiens zu befinden erscheint absurd.


Mit meiner fotografischen Recherche wollte ich die oben beschriebene andere Seite von Rimini dokumentieren. Die Seite, die es naturgemäß nicht auf die Seiten der Tourismusprospekte schafft, obwohl sie die Realität eines Großteil des Jahres repräsentiert. Es ist die Tristesse einer Stadt am Meer im Winter, wie man sie ähnlich auch in vielen anderen Regionen finden kann.

Aufgrund der Ästhetik des Graus und der Leere entsteht ein Gegensatz zwischen der abschreckenden Leere und ihrer Anziehungskraft. Diese Anziehungskraft und die von den Fotos ausgelösten Assoziationen machen es interessant, sich mit der Stadt fotografisch auseinanderzusetzen. Die Fotografie als künstlerisches Medium konserviert diese Momente und ästhetisiert sie bewusst durch ihre Selektion. Die leeren Strassen und Strände haben etwas Feindliches und Abweisendes, lassen einen erschaudern. Die Leere und das Grau werden das Bühnenbild für unsere Vorstellungskraft und die Poesie des Winters.

Der Fotografie kommt bei der Betrachtung und Einschätzung urbaner Räume eine zentrale Funktion zu. Nur sie vermag es, Details herauszustellen, Banales in den Mittelpunkt zu rücken. Für den Betrachter vollzieht sie eine erste Selektion des Gesehenen und konstruiert dadurch eine eigene neue Realität. Diese Selektion kann Unterschiede und Gemeinsamkeiten aufheben oder neue Gegensätze konstruieren.


_Umsetzung

Die Aufnahmen für das Projekt sind im März 2005 mit einer Mittelformat-Kamera 4,5x6 (Mamya 645) entstanden. Als Filmmaterial habe ich die Natural Color Filme von Kodak benutzt, die, zusammen mit Crystal Archiv Paper von Kodak eine sehr angenehme Farbreduzierte Ästhetik haben.

Das Ausstellungskonzept besteht aus 15 Bildern in den Formaten 45/60 für die Querformate und 35/45 für die Hochformate. Die Arbeiten sind randlos auf stabilen Platten aus Forex (Hartplastik - 5 mm) aufgebracht und mit einer Leiste an der Rückseite versehen, so dass sie problemlos mit Nägeln auf die Wand gebracht werden können. Zusätzlich soll es eine Installation von Kontakten im Format 6x8 cm geben, um den seriellen und recherchierenden Ansatz der Arbeit zu betonen.

Auswahl für die Galerie Junge Kunst:
-    8 Bilder im Format 45x60 cm
-    7 Bilder im Format 35x45 cm
-    Kontaktabzüge im Format 6x8 cm

Felix Koltermann

Galerie Junge Kunst
Karl-Marx-Straße 90, 54290 Trier
0651 / 9 76 38 40

Freitag 17-19 Uhr
Samstag und Sonntag 14-16 Uhr
sowie nach Vereinbarung

 


Letzte Aktualisierung: 20.10.2006 22:33:18 © 2010 Kunstverein Trier Junge Kunst e.V.